Was ist die progressive Myopie?
Von progressiver Myopie spricht man, wenn die Augen immer kurzsichtiger werden. Eine Verschlechterung von 0,25 Dioptrien pro Jahr gilt als normal, alles darüber sollte schon genauer beobachtet werden. Der Optiker kann verschiedene Präventionsmöglichkeiten (spezielle Brillengläser oder Kontaktlinsen) anbieten, die je früher sie angewandt werden, umso wirkungsvoller sind. Kinder sind grundsätzlich leicht weitsichtig, das verliert sich im Normalfall bis zum 10.-12. Lebensjahr. Ist ein Kind schon vorher Kurzsichtig ist besondere Aufmerksamkeit geboten.
Eine Kurzsichtigkeit liegt dann vor, wenn der Brennpunkt im Auge nicht genau auf der Netzhaut liegt, sondern davor, also im Augeninneren. Dadurch entsteht ein unscharfes Bild auf der Netzhaut, man sieht verschwommen. Das passende Brillenglas verlängert die Brennweite so weit, dass Netzhaut und Brennpunkt wieder zusammentreffen, dadurch wird das Bild wieder scharf.
Es gibt zwei Ursachen für Kurzsichtigkeit:
- die Brechung des Auges ist insgesamt zu stark
- die Baulänge des Auges ist zu lang
Der zu lange Augapfel ist die Ursache einer progressiven Myopie. Werden die Augen immer länger, wird auch die Kurzsichtigkeit immer höher. Die Glasstärke wird mehr und die Brillengläser immer dicker. Das ist zwar für die Brillenträger lästig, jedoch nicht das Hauptproblem der Progressiven Myopie. Durch die zu lange Baulänge gerät die Netzhaut unter Spannung, was in weiterer Folge zu Rissen in der Netzhaut oder zu einem Glaukom führen kann. Die Wahrscheinlichkeit einer Netzhaut- oder Nervenschädigung des Auges steigt mit jeder Dioptrie überproportional an.
Abbildung a zeigt ein “normal” gebautes, nicht fehlsichtiges Auge, der Brennpunkt liegt auf der Netzhaut.
Abbildung b zeigt ein zu langes, myopes Auge, der Brennpunkt liegt vor der Netzhaut.
Weiterführende Literatur zu Progressiver Myopie
- https://www.doz-verlag.de/Newsbeitrag/ein-radikal-innovatives-brillenglas-zur-myopiekontrolle
- https://www.sehen.de/sehen/sehschwaeche/kurzsichtigkeit/
- https://www.springermedizin.de/de/atropin/myopietherapie-und-prophylaxe-mit-defocus-incorporated-multiple-/19343900
- https://www.augen.at/myopie/
- https://augenklinik.uk-koeln.de/erkrankungen-therapien/myopie-kurzsichtigkeit/
- https://www.schielen.de/refraktion/kurzsichtigkeit/
Ursachen und klassische Präventionen der progressiven Myopie.
Grundsätzlich spielt die Genetik eine große Rolle. Wenn beide Eltern kurzsichtig sind, ist die Wahrscheinlichkeit bis zu 60% höher, dass auch das Kind kurzsichtig wird. Ist nur ein Elternteil kurzsichtig, liegt die Wahrscheinlichkeit noch immer bei 30%.
Eine weitere, sehr wichtige Rolle spielt Tageslicht. Dieser Punkt ist im Gegensatz zur Genetik im täglichen Leben beeinflussbar. Studien haben gezeigt, dass Kinder, die weniger Zeit im Freien verbringen, signifikant kurzsichtiger werden, als Kinder, die sich mehr im Freien aufhalten. 3 Stunden am Tag werden hier zur Prävention empfohlen.
Auch Naharbeit (Distanzen unter 50cm) kann die Kurzsichtigkeit fördern, allerdings ist Lesen im Freien hier nicht betroffen, weil der positive Effekt des Tageslichts den negativen Effekt der Naharbeit wieder ausgleicht. Grundsätzlich gilt: Umso näher und umso länger in der Nähe gearbeitet wird, vor allem in geschlossenen Räumen, umso höher ist die Gefahr einer Progression!
Myopiemanagement Brillengläser
Es gibt mittlerweile von allen namhaften Glasherstellern spezielle Brillengläser, die die progressive Myopie verlangsamen können. Um die Wirkungsweise dieser Gläser zu erklären, sollte man einige Details zu Brillengläsern im Allgemeinen wissen, das ist für Laien oftmals schwer verständlich und komplex. Ein gutes Optik Fachgeschäft kann das noch einmal anschaulich erklären und eventuelle Fragen beantworten.
Ein normales Brillenglas hat überall die gleiche Stärke. Wenn man das in einer Skizze darstellt, trifft der Brennpunkt für Objekte, die gerade vor einem liegen genau auf die erforderliche Netzhautstelle – natürlich vorausgesetzt die Brillenglasstärke stimmt. Dadurch sieht man das gesehene Objekt scharf.
Die seitlich einfallenden Lichtstrahlen, die ins Auge kommen, treffen jedoch hinter der Netzhaut auf (siehe Bild b), das Auge wird dadurch zum Längenwachstum angeregt, was wiederum zum Anstieg der Kurzsichtigkeit führt.
a.) Bei unkorrigierter Myopie liegt der zentrale Brennpunkt vor der Netzhaut, was unscharfes Sehen zur Folge hat. In der Peripherie liegt der Brennpunkt zum Teil hinter der Netzhaut.
b.) Durch Korrektur mit einem herkömmlichen Brillenglas wird die Fokusebene der optischen Abbildung nach hinten verschoben, wodurch sie zentral im Bereich der optimalen Netzhautstelle liegt, das Objekt wird scharf gesehen. In der Peripherie liegt sie allerdings hinter der Netzhaut, dieser Effekt nennt sich hyperoper Defokus.
c.) Bei der Korrektur mit den DIMS-Gläsern* oder auch anderen Myopiemanagement Gläsern liegt der zentrale, sowie der periphere Bereich auf der Netzhaut.
*D.I.M.S steht für Defocus Incorporated Multiple Segments und beschreibt die neueste Technologie der Miyosmart Brillengläser der Firma Hoya.
Bei den Myopiemanagement Brillengläsern werden durch eine spezielle Brillenglastechnik die peripheren Lichtstrahlen auf die Netzhaut gelenkt und der hyperope Defokus so beseitigt. Dadurch wird dem Auge der Reiz zum Längenwachstum genommen. Um diesen Effekt zu erzeugen, müssen die Myopiemanagement Brillengläser im Randbereich weniger Dioptrien haben als im Zentrum. Da wir aber nicht ausschließlich durch das Zentrum des Brillenglases schauen, sondern die Augen bewegen, kann die Abbildung unscharf sein, weil das Brillenglas dort zu schwach für eine scharfe Abbildung ist.
Um diesen negativen Effekt zu minimieren, wurde ein komplett neuartiges Brillenglas entwickelt. Mittlerweile gibt es unterschiedliche Typen von Myopiemanagement Gläsern am Markt, diese lassen sich vereinfacht in zwei unterschiedliche Technologien einteilen:
1. D.I.M.S Brillengläser mit Segment Technologie (Defocus Incorporated Multiple Segments)
Der japanische Glashersteller HOYA war der erste am Markt der Myopiemanagement Gläser vorgestellt hatte. Studien zufolge sind diese Gläser die Vielversprechendsten. Mit bis zu 60% Verlangsamung der Myopieprogression stellen sie die höchsten Erfolgschancen.
Die Brillengläser sind so entwickelt, dass im zentralen Bereich ein 9,4mm großes Zentrum gefertigt wird, das einem “normalen” Brillenglas gleicht. Schaut das Kind zentral und gerade durch diesen Bereich, sieht es scharf, ohne einen Unterschied zu einem gewöhnlichen Einstärkenglas zu erkennen.
Um die peripheren Lichtstrahlen auf die Netzhaut zu lenken, wurde der sogenannte DIMS Bereich eingefügt. In dieser Zone um den 9,4mm großen zentralen Bereich herum sind hunderte kleine Segmente ins Brillenglas eingelassen, die eine geringere Stärke haben und die Lichtstrahlen somit auf die Netzhaut lenken. Der hyperope Defokus wird beseitigt und dem Auge der Reiz für Längenwachstum genommen.
Die Segmente sind kreisförmig und in einer speziellen Wabenstruktur angeordnet, so dass zwischen den Segmenten die volle Brillenglasstärke vom zentralen Bereich liegt. Durch diese ganz spezielle Technik wird der Segmentbereich außerhalb des Zentrums nicht als unscharf empfunden. Das Gehirn ist in der Lage, die schwächeren, kleinen Segmente auszublenden. Das Sehen mit diesem Brillenglas wird nach einer kurzen Eingewöhnungszeit nicht mehr als störend oder einschränkend empfunden.
Auf der Abbildung wird das DIMS Brillenglas von der Firma Hoya gezeigt. Dank seiner innovativen Produktionstechnologie sieht man die kleinen Segmente im Brillenglas nur mit speziellem Kantenlicht, also bei schrägem Lichteinfall. Ansonsten sieht es aus wie ein herkömmliches Einstärkenglas.
2. Brillengläser mit großflächigem peripherem Defokus
Rodenstock und mittlerweile auch einige andere Glashersteller verfolgen eine andere Technik. Auch hier gibt es ein scharfes Zentrum und eine unscharfen Bereich in der Peripherie. Da hier das gesamte Glas im Randbereich abgeschwächt wird, sieht das Kind beim Blick nach Außen deutlich unscharf. Durch längeres Tragen dieser Gläser, entwickelt sich ein Gewöhnungseffekt und die Kinder drehen automatisch den Kopf, anstatt mit den Augen Blickbewegungen zu machen. Dadurch wird der unscharfe Bereich irgendwann nicht mehr wahrgenommen.
Dieses System ähnelt der Technologie eines Gleitsichtglases und ist viel einfacher herzustellen, demnach auch günstiger als das DIMS System von Hoya.
Die Akzeptanz von Myopiemanagement Brillengläsern (beide Arten) ist in Studien erprobt worden und kaum anders als bei herkömmlichen Brillengläsern. Es ist mit einer ungefähr einwöchigen Eingewöhnungszeit zu rechnen, die unscharfen Bereiche werden aber bereits nach wenigen Tagen kaum mehr bewusst wahrgenommen. Wichtig ist, dass das Kind die Brille fast ständig trägt.
Myopiemanagement Kontaktlinsen
Kontaktlinsen können eine weitere Möglichkeit sein, die progressive Myopie zu verlangsamen. Vor allem zum Sport oder bei älteren Kindern können Kontaktlinsen eine gute Ergänzung oder Alternative zu den Myopiemanagement Brillengläsern sein.
Die Myopiemanagement Kontaktlinsen verfolgen das gleiche Prinzip wie die Myopiemanagement Brillengläser, sind aber in ihrem Aufbau etwas anders.
Die Gemeinsamkeit zu den Brillengläsern ist, dass im Randbereich ein unscharfer Defokus angelegt ist, der die peripheren Lichtstrahlen auf die Netzhaut lenkt und somit den Reiz zum Längenwachstum nimmt.
Die Abschwächung im Randbereich der Kontaktlinse wird mit sogenannten konzentrischen Kreisen erreicht. Außerhalb des zentralen Bereichs liegen kreisförmige Zonen, die eine geringere Stärke haben, als das Zentrum.
Damit ein störungsfreies Sehen gewährleistet ist, muss die Kontaktlinse möglichst zentral auf dem Auge sitzen, so dass der zentrale, scharfe Bereich genau auf der Pupille liegt. Je nach Anatomie des Auges ist das nur manchmal durch eine Standardlinse (Myopiemanagement Monats- oder Tageskontaktlinse) möglich. In vielen Fällen ist es besser, eine individuell angefertigte Linse anzupassen. Diese wird nach einem vorherigen Hornhaut-Scan beim Augenoptiker maßgefertigt und kann dann für 6 Monate verwendet werden. Da die Pupillengröße je nach Helligkeit variiert, kann es bei den Myopiemanagement Kontaktlinsen in der Dämmerung und bei Dunkelheit zu einem stärkeren unscharfen Empfinden kommen, weil die Pupille dann größer wird und über den zentralen, scharfen Bereich hinaus geht.
Wahrscheinlichkeit dass mein Kind eine progressive Myopie bekommt.
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